Brückenkonstruktion - Wirbelsäule

Barbara
Mi, 09.05.2018 – 11:41
Pferdeskelett in der Piaffe

Die Wirbelsäule des Pferdes liegt im Verborgenen. Die Rückenlinie wird durch die oberen Enden der Dornfortsätze gebildet und da die Dornfortsätze vom Schweifansatz bis hin zum Widerrist stetig größer werden ist vielen Reitern nicht klar, dass die darunterliegende Wirbelsäule in Wahrheit abwärts zeigt.

Diese Brückenkonstruktion verbindet die Hinterbeine mit den von Natur aus kürzeren Vorderbeinen. So kann das Fluchttier Pferd beim Grasen in einer Gefahrensituation innerhalb von Sekunden vom geruhsamen Vorwärtsbewegen im Schritt in den gestreckten Galopp durchstarten.

Die einzelnen Dornfortsätze sind so angeordnet, dass sie im vorderen Bereich vom Kopf Richtung Schweif zeigen und im hinteren Bereich vom Schweif in Richtung Kopf, dadurch können die an den Dornfortsätzen ansetzenden Muskeln die Brückenkonstruktion spannen. Vom Becken aus werden die Rückenwirbel nach hinten und vom Kopf aus nach vorne gezogen. Auf diese Weise wird die Wirbelsäule stabilisiert und verhindert, dass sich die Dornfortsätze berühren.

Sobald sich allerdings ein Mensch, auf den Rücken eines Pferdes schwingt,  nimmt er direkt hinter dem Widerrist Platz. Er sitzt damit am tiefsten Punkt der Brücke und zudem noch an einer Stelle, an der das Pferd mit seinen Vorderbeinen bereits das größere Gewicht (55 Prozent) zu tragen hat; denn Kopf und Hals müssen zusätzlich zum Körper von den Vorderbeinen gestützt werden. Auf die Hinterbeine entfallen nur rund 45 Prozent.

Deshalb sehen die klassischen Reitlehren vor, durch geeignetes Training den Schwerpunkt des Pferdes nach hinten zu verschieben, so dass die stärkeren Gelenke der Hinterbeine, vor allem auch das Hüft und Kniegelenk, mehr Gewicht auf nehmen können. Im Idealfall sollte das Pferd über das Kreuzdarmbein den Rücken anheben und dadurch die Vorderbeine entlasten können. Ein so trainiertes Pferd ist wesentlich wendiger als ein abwärts auf die Vorhand fallendes Tier.

Auf alle Fälle muss vermieden werden, dass der Rücken unter dem Reitergewicht nachgibt, weil sich dann oft im Bereich zwischen dem 10. und 15. Brustwirbel – genau dort wo das Reitergewicht einwirkt – die Dornfortsätze schmerzlich berühren können und zu sogenannten „kissing spines“ führen.

Die Gefahr von „kissing spines“ ist für blutgeprägte Pferde besonders hoch, da  der Vollblüter auf Grund seiner Zuchtauswahl auf Geschwindigkeit, einige Besonderheiten im Skelett aufweist. So stehen die Wirbel und damit auch die Dornfortsätze enger beieinander und die Wirbelsäule zeigt stärker abwärts. Vollblüter können bereits in der Aufzucht „kissing spines“ bekommen. In Dressurlinien sind sie häufiger anzutreffen als in Springlinien.

Die von Mathilda Holmer vorgenommenen röntgenologischen Untersuchungen an klinisch gesunden Pferden haben (2005) gezeigt, dass auch Warmblüter inzwischen engerstehende Wirbel aufweisen. Bei fast 15 Prozent der untersuchten 295 Warmblüter lagen die Abstände unter vier Millimetern. Deshalb konnten zahlreichen Veränderungen an den Wirbelsäulen erkannt werden darunter Berührungen sowie Überlappungen, die gleichzeitig auf eine Verdrehung der Wirbelsäule schließen lassen.

Die Wirbelsäule des Pferdes ist, anders als beim Menschen, im Bereich der Vorderbeine nicht durch eine knöcherne Verbindung – wie dem Schlüsselbein – fixiert. Die Idee mit dem „Bergaufmodel“ ein Pferd mit aufwärts weisender Statik zu kreieren, in dem die Vorderbeine züchterisch verlängert wurden, führt in die Irre. Die Wirbelsäule befindet sich zwischen den Schulterblättern weiterhin im freien Fall. Verstärkt wird das noch durch ein nach hinten herausgestelltes Becken, dessen hoher Schub diese Designerpferde auf die Vorhand drückt.